Interview

Interview mit Heike Franzen

Heike Franzen profitiert im Beruf und Privatleben von ihrer Zeit in Thailand

In Bonn hat sie studiert, in Bangkok gelebt, in Trier ist sie wieder gelandet: Vor dreieinhalb Jahren ist Heike Franzen in den elterlichen Betrieb „Papier Franzen“ mit eingestiegen. Ihrem Vater Albert Franzen steht sie als Prokuristin innerhalb der Geschäftsleitung zur Seite. Fest steht bereits heute, dass die 34-jährige eines Tages den Betrieb übernehmen wird. Neben ihrer Arbeit engagiert sie sich im „Kreis Junger Unternehmer Trier“ (KJU) und versucht, bei Sport und mit Freunden Energien aufzutanken.

Eine Karrierefrau entsprechend dem viel strapazierten Klischee ist Heike Franzen sicherlich nicht. Vielmehr hat sie, wie viele andere Frauen dieser Generation, ihre individuellen Möglichkeiten genutzt, in Aus- und Fortbildung investiert sowie durch mehrere Auslandsaufenthalte im sprichwörtlichen Sinne ihren Horizont erweitert. Dass sie mit ihren 34 Jahren die Geschäfte einer etablierten Firma mit leitet, verdankt sie natürlich in erster Linie den familiären Rahmenbedingungen. Dabei betont die Jungunternehmerin, dass der Einstieg in den elterlichen Betrieb seit langer Zeit nicht allein ihr Wunsch, sondern auch das Ziel gewesen sei. Diese Perspektive hat die gebürtige Konzerin jedoch nicht davon abgehalten, ihren Erfahrungsschatz in anderen Branchen und Breitengraden anzureichern.
Mit einem Studium der Sinologie und der ostasiatischen Kunstgeschichte startete Heike Franzen in Bonn ihren beruflichen Werdegang: „Das entsprach meinem großen Interesse und meiner Neigung.“ Nach zwei Jahren gestand sie sich ein: Ein interessantes Studium, aber was fange ich damit an? So wechselte sie an der gleichen Uni das Fach, schwenkte um auf Volkswirtschaftslehre (VWL). „Für diese Entscheidung sprach vor allem meine Überlegung, eine möglichst breit angelegte Ausbildung zu bekommen, die mir viele Möglichkeiten offen lässt.“

Mit 15 das erste Mal im Betrieb mit gearbeitet

Während ihres Studiums hospitierte sie in Banken, machte ein zweimonatiges Praktikum in einer Papierfabrik in Frankreich, arbeitete als freie Mitarbeiterin in einer PR-Agentur. „Eine Anstellung in diesem Bereich hätte ich mir durchaus auch vor-stellen können“, so Franzen. Außerdem half sie bis 1990 regelmäßig im elterlichen Betrieb. ,,„Mit 15 habe ich das erste Mal im Lager mitgearbeitet, ein- und ausgepackt. Seitdem war ich in unterschiedlichen Bereichen tätig, ich bin mit dem Betrieb groß geworden.“"
Dennoch bewarb sie sich nach dem Studium bei der Außenhandelskammer in Bangkok: „Ich wäre gerne während meiner Studienzeit für ein Jahr ins Ausland gegangen, das war jedoch wegen der Anerkennung von Leistungsnachweisen sehr kompliziert. So habe ich beschlossen, diese Erfahrung im Anschluss ans Studium nachzuholen.“ Zwei Jahre arbeitete sie im Bereich „Business Development“ in der Kammer in Bangkok. Eine Zeit, die ihre Leidenschaft für den asiatischen Raum und seine Kultur weiter vertieft, sie jedoch vor allem persönlich stark geprägt hat. „Ich habe enorm viel über mich gelernt und einen anderen Blick für die eigene Kultur gewonnen. Erst mit Abstand lassen sich einige Dinge innerhalb des gewohnten Dunstkreises beurteilen.“

Ihrem Gegenüber aus dem Gesicht gelesen

Im täglichen Umgang mit ihren damaligen Geschäftspartnern hat sie vor allem gelernt, aus dem Gesicht ihres Gegenübers zu lesen. „Das ist für uns Europäer extrem schwierig, da diese Menschen völlig anders im Verhalten sind und ein „ja“ dort auch nicht unbedingt „ja“ bedeutet.“ Geschätzt hat die junge Frau die Freundlichkeit und positive Grundeinstellung der Asiaten. „Auch ist es wesentlich leichter, dort als Frau zu arbeiten. Sie sind auch in hochrangigen Positionen akzeptiert, haben sie wegen ihrer Kompetenz erreicht. Niemand würde dort wie bei uns herummäkeln und die Position mit Begriffen wie Quotenfrau oder Ähnlichem aburteilen.“

Auslandserfahrung in Bangkok gesammelt

Als nach zwei Jahren Heike Franzens Projekt in der Außenhandelskammer abgeschlossen war, betrachtete sie den Zeitpunkt als günstig, ihre Zelte nach Trier zu verlagern. „Schließlich hatte ich meine grundsätzliche Entscheidung, bei uns einzusteigen, schon während des Studiums gefällt. Nach der Erfahrung in Bangkok und meinen übrigen Praktika und Jobs hatte ich das Gefühl, genügend andere Eindrücke gewonnen zu haben.“ Seit März 1997 arbeitet sie Tür an Tür mit Vater Albert und empfindet das als sehr bereichernd. „Ich profitiere vom 40-jährigen beruflichen Erfahrungsschatz meines Vaters, und er erhält durch meinen anderweitig geprägten Hintergrund ebenfalls wertvolle Anregungen.“ So hat die künftige Inhaberin als wichtigen Schritt die gesamte EDV umgestellt, „im Hinblick auf die Einführung des Euro war dies unvermeidlich“.

Alle 35 000 auf Lager vorrätigen Artikel sind in der EDV gespeichert und werden per Computer verwaltet. In ihr Aufgabenfeld gehören ebenfalls die V-Bereiche, Personal und Organisation. In Einkauf und Vertrieb arbeitet sich die 34-Jährige mehr und mehr ein.

Auf einmal sehr viel Verantwortung übernommen

Als langfristiges Ziel peilt die Geschäftsfrau an, das Sortiment zu straffen, die Logistik anzupassen, Kosten zu reduzieren und - natürlich - den Umsatz zu steigern. Den Reiz an der Arbeit im elterlichen Betrieb beschreibt sie so: „Im Gegensatz zu meiner vorherigen Arbeit kann ich bei uns langfristig etwas in die Wege leiten, kümmere mich nicht um Projekte, die irgendwann auslaufen. Außerdem gefällt mir die Vielseitigkeit, wir haben immerhin 300 Lieferanten, es gibt immer wieder neue Designs, neue Produkte.“ Noch mehr reizt sie jedoch ein weiterer Aspekt:
„Ich habe von einer Sekunde auf die andere unheimlich viel Verantwortung übernommen. Durch die geforderte Vorbildfunktion, den Leistungs- und Motivationsdruck bin ich in besonderem Maße gefordert.“ Eine zusätzliche Herausforderung hat sie mit dem Vorsitz des KJU übernommen. In dem Zusammenschluss der Wirtschaftsjunioren, der seit 1963 besteht, bildet sie für die kommenden zwei Jahre die erste weibliche Spitze. „Ich denke schon, dass eine Frau in diesem Kreis auch mitunter andere Sichtweisen einbringen kann.“ Vor allem hofft Heike Franzen, dass mehr Frauen der Vereinigung beitreten und sich engagieren. Zurzeit sind von den 120 aktiven und 100 fördernden Mitgliedern gerade einmal zehn Prozent weiblich.
Sie selbst ist wegen des Austausches und der Möglichkeit, Kontakte mit anderen Jungunternehmern zu knüpfen, dem KJU beigetreten. Die regelmäßigen Betriebsbesichtigungen und Info-Treffs hält sie für geeignete Mittel, sich auch aus anderen Branchen Anregungen für die Strukturierung und Organisation im eigenen Unternehmen zu holen. Als Vorsitzende möchte sie diesen Austausch forcieren und renommierte Redner aus Wirtschaft und Politik in die Moselmetropole holen. Wenn Heike Franzen nicht gerade im Büro steckt oder mit der Organisation der KJU-Landeskonferenz beschäftigt ist (und die ist ja gerade erst erfolgreich über die Bühne gegangen), versucht sie abzuschalten.
Das gelingt ihr am besten bei ihrem Hobby Schwimmen, nach Möglichkeit zieht sie drei Mal die Woche ihre Bahnen. Mit einer Freundin joggt sie, trifft sich mit Freunden oder entspannt zu Hause. Denn von den Asiaten hat sie gelernt: „Das Leben sollte ausgewogen, alles in der rechten Balance sein.“